Fahrgastrechte treten in Kraft
BERLIN - Am 29. Juli 2009 tritt das neue Fahrgastrechtegesetz in Kraft. Bahnfahrer haben dann vor allem bei Verspätungen und Zugausfällen mehr Rechte. Das Gesetz beruht auf einer EG-Verordnung, die ab dem 3. Dezember 2009 europaweit gelten wird. Das neue Fahrgastrechtegesetz verbessert die Rechte der Bahnreisenden in Deutschland bereits jetzt und erweitert sie darüber hinaus gegenüber dem europäischen Recht. "Eine Entschädigung gibt es nicht nur für Verspätungen eines Zuges, sondern auch dann, wenn ein Fahrgast wegen einer vergleichsweise kleinen Verspätung einen Anschluss verpasst hat", betonte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries am Montag. "Im Nahverkehr können die Fahrgäste außerdem bei Verspätungen oder Zugausfällen auf andere Verkehrsmittel ausweichen, gegebenenfalls sogar auf ein Taxi. Die Eisenbahnen sind nun auch verpflichtet, Fahrgäste - vor allem bei Verspätungen - gut zu informieren. Mir war es wichtig, dass wir für den Bahnverkehr kundenfreundliche Regelungen gefunden haben, zugleich aber auch sichergestellt ist, dass die Regelungen nicht zu einer drastischen Erhöhung der Fahrpreise führen und den Wettbewerb verzerren", erklärte Zypries in Berlin.
1. Unpünktlichkeit und Ausfall von Zügen im Fern- und Nahverkehr
Hat ein Zug Verspätung oder fällt er aus, muss das Eisenbahnunternehmen dem
Fahrgast künftig eine Entschädigung zahlen. Diese wird wie folgt berechnet:
Kommt der Fahrgast 60 Minuten verspätet am Zielort an, sind 25 % des
Fahrpreises zu erstatten. Liegt die Verspätung bei 120 Minuten, sind 50 % des
Fahrpreises zu erstatten. Der Betrag muss dem Fahrgast auf Wunsch bar ausgezahlt
werden. Außerdem muss das Eisenbahnunternehmen bei einer Verspätung von
mindestens 60 Minuten eine kostenlose Hotelunterkunft anbieten, wenn wegen der
Unpünktlichkeit oder des Ausfalls eine Übernachtung erforderlich wird. Maßgeblich
ist die verspätete Ankunft am Zielort.
Das Eisenbahnunternehmen haftet nicht, wenn die Verspätung durch außerhalb des Eisenbahnbetriebs liegende Umstände verursacht wird und das Eisenbahnunternehmen diese Umstände trotz der gebotenen Sorgfalt nicht vermeiden kann. Das Eisenbahnunternehmen kann außerdem von einer Zahlung absehen, wenn der zu erstattende Betrag unter 4 Euro liegt (Bagatellgrenze). Zeichnet sich eine Verspätung von mehr als 60 Minuten ab, kann der Fahrgast auch von einer Fahrt absehen und die Rückerstattung des Fahrpreises verlangen oder die Fahrt zu einem späteren Zeitpunkt auch mit geänderter Streckenführung durchführen.
2. Unpünktlichkeit und Ausfall von Zügen im Nahverkehr
Für den Nahverkehr werden im Vergleich zu den europäischen Vorgaben
weitergehende Regelungen getroffen. Um Nahverkehr handelt es sich, wenn in der
Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Zuges die Reiseweite nicht mehr als 50
Kilometer oder die Reisezeit nicht mehr als eine Stunde beträgt. Ist abzusehen,
dass der Fahrgast wegen einer Unpünktlichkeit oder eines Ausfalls eines Zuges
im Nahverkehr wenigstens 20 Minuten verspätet sein Ziel erreicht, kann er einen
anderen Zug, insbesondere auch einen Zug des Fernverkehrs nutzen. Ausgenommen
sind nur Sonderfahrten oder Züge mit umfassender Reservierungspflicht - wie
beispielsweise beim City Night Line oder ICE Sprinter. Bei Nachtfahrten kann der
Fahrgast bei einer Verspätung von mindestens 60 Minuten auch auf ein Taxi
umsteigen, wenn keine preisgünstigeren öffentlichen Verkehrsmittel mehr zur
Verfügung stehen, um den Zielort zu erreichen. Der Erstattungsanspruch ist
allerdings auf einen Betrag von 80 Euro begrenzt. Als Nachtfahrt sind Fahrten
anzusehen, die fahrplanmäßig zwischen 0.00 Uhr und 5.00 Uhr enden.
3. Haftung bei Personenschäden
Bei einem Eisenbahnunfall müssen die Eisenbahnunternehmen, soweit ein Fahrgast
getötet oder verletzt wurde, künftig einen Vorschuss zahlen, der die
unmittelbaren wirtschaftlichen Bedürfnisse des geschädigten Fahrgasts oder
seiner Angehörigen deckt. Wird ein Fahrgast getötet, beträgt dieser Vorschuss
mindestens 21.000 Euro. Wenn die Verordnung in Kraft tritt, werden europaweit außerdem
einheitliche Haftungsregeln und Mindestentschädigungssummen bei Personenschäden
gelten. Dann kann kein Mitgliedstaat mehr geringere Haftungshöchstsummen
festschreiben als umgerechnet ca. 200.000 Euro.
4. Rechte von Personen mit eingeschränkter Mobilität
Die Rechte von behinderten Personen und sonstigen Personen mit eingeschränkter
Mobilität, etwa alte Menschen oder kleine Kinder, werden gestärkt.
Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber werden verpflichtet, gemeinsam mit
den Interessenvertretern der genannten Gruppen Zugangsregelungen für die Beförderung
aufzustellen. Sie müssen dafür sorgen, dass der Bahnhof, die Bahnsteige, die
Fahrzeuge und andere Einrichtungen für Personen mit eingeschränkter Mobilität
zugänglich sind. Soweit entsprechendes Personal vorhanden ist und der Unterstützungsbedarf
vorher angemeldet wurde, werden die Eisenbahnunternehmen und Bahnhofsbetreiber
verpflichtet, kostenlos Unterstützung beim Ein- und Aussteigen sowie bei der
Fahrt zu leisten.
5. Informationspflichten der Eisenbahnunternehmen
Die Eisenbahnunternehmen sind künftig gesetzlich ausdrücklich verpflichtet,
die Fahrgäste beim Fahrkartenverkauf bzw. während der Fahrt gut zu
informieren. Dabei müssen die speziellen Bedürfnisse von Menschen mit einer
Gehör- oder Sehbehinderung berücksichtigt werden. Auf Nachfrage muss das
Eisenbahnunternehmen auf Nachfrage vor Fahrtantritt u.a. folgende Informationen
geben: Welche Verbindung ist die kürzeste und preisgünstigste? Sind Störungen
oder Verspätungen absehbar? Wie lauten die Allgemeinen Beförderungsbedingungen?
Während der Fahrt muss das Eisenbahnunternehmen über Verspätungen,
Anschlusszüge sowie im Zug angebotene Serviceleistungen informieren. Im
Nahverkehr sind die Informationspflichten aus Praktikabilitätsgründen
allerdings weniger umfangreich. Zum Beispiel können die Informationen über die
Anschlussverbindungen während der Fahrt entfallen. Außerdem können die Fahrgäste
im Nahverkehr durch eine Zusammenfassung informiert werden. Die Information
selbst kann durch Aushang oder Auslage sowie den Einsatz eines Informations- und
Buchungssystems erfolgen.
6. Qualitätsmanagement, Beschwerdestellen und Schlichtung
Eisenbahnunternehmen im Fernverkehr müssen künftig Qualitätsstandards
festlegen und systematisch überprüfen. Diese beziehen sich auf Informationen,
Fahrkarten, Pünktlichkeit, Zugausfälle, Sauberkeit, Kundenbefragungen,
Beschwerdebearbeitung und Hilfeleistung für Personen mit Behinderungen und
Personen mit eingeschränkter Mobilität. Ferner müssen alle
Eisenbahnunternehmen ein Verfahren zur Bearbeitung von Beschwerden einrichten.
Die Eisenbahnunternehmen sind verpflichtet, die Fahrgäste in weitem Umfang,
insbesondere an auffälliger Stelle über die Kontaktdaten der
unternehmenseigenen Beschwerdestelle zu unterrichten. Die Beschwerden müssen
innerhalb eines Monats oder, wenn der Fahrgast hierüber unterrichtet worden
ist, innerhalb von spätestens 3 Monaten beantwortet sein.
Zusätzlich werden Beschwerdestellen bei den Eisenbahnaufsichtsbehörden eingerichtet, damit der Fahrgast eine Anlaufstelle hat, wenn er von einem Eisenbahnunternehmen nicht zufriedenstellend behandelt worden ist. Die Beschwerden können auch stets an das Eisenbahnbundesamt gerichtet werden. Gesetzlich klargestellt wird schließlich, dass der Fahrgast darüber hinaus die Möglichkeit hat, eine Schlichtungsstelle anzurufen. Gedacht ist hierbei beispielsweise derzeit an die Schlichtungsstelle Mobilität beim VCD in Berlin, die Schlichtungsstelle Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen, die Ombudsstelle Nahverkehr in Bayern oder die Mitte Juli 2009 gegründete "Schlichtungsstelle öffentlicher Verkehr". Die "Schlichtungsstelle öffentlicher Verkehr" wird voraussichtlich Ende des Jahres ihre Arbeit aufnehmen. Die Eisenbahnunternehmen sollen bei der Beantwortung einer Beschwerde eines Fahrgasts auf die Schlichtungsmöglichkeit und eine geeignete Schlichtungsstelle hinweisen.
Was sollte man im Fall einer Verspätung bzw. eines Zugausfalls tun?
Im Fall einer Verspätung bzw. eines Zugausfalls sollten sich Bahnfahrer schon
im verspäteten Zug oder im Bahnhof die Verspätung oder den Ausfall des Zuges
bestätigen lassen. Mit der Fahrkarte, auf der die Strecke unter Angabe des
Abfahrts- und Zielorts vermerkt ist, und der Bestätigung über die Verspätung
oder den Ausfall des Zuges wendet man sich an das Eisenbahnunternehmen, bei der
die Fahrkarte gekauft wurde. Das Eisenbahnunternehmen muss innerhalb eines
Monats nach Einreichung des Antrags die Entschädigung zahlen, wenn der Anspruch
berechtigt ist. Die Entschädigung kann, wenn nicht Auszahlung in bar verlangt
wurde, auch in Form von Gutscheinen oder anderen Leistungen erfolgen.
Weitere Informationen zu den Fahrgastrechten sowie das Flugblatt "Die neuen Fahrgastrechte" zum Download gibt es unter www.bmj.bund.de/fahrgastrechte.